Der Punkt
Heiner Müller
Von Anbeginn – seit den 2000er Jahren – ist der Motor für Neues die Neugierde auf starke Texte, Ur- und Erstaufführungen, auch auf ungewöhnliche und neue Wege in der Form der Zusammenarbeit – mit Theatern und später dann auch mit Museen und fallweise Galerien. Immer mit dem Anspruch, die Autor:innen im konkreten gesellschaftlichen Kontext neu zu ‚lesen‘, ob Johann Nestroy, Sophokles, Thomas Bernhard, Sarah Kane oder Elfriede Jelinek, und deren Texte – als (musikalisches) Material verstanden – mit den Schauspieler:innen jeweils in die Unmittelbarkeit des Theaters zu überführen.
Auch wenn wir nicht vorrangig in den Guckkästen des 19. und 20. Jahrhunderts agieren, geht es immer um Theater, um unmittelbare direkte Begegnung mit dem Publikum, darum, Denk- und Emotionsräume aufzumachen, ‚Leben‘ zu verhandeln, wie wir es vorfinden, vorzufinden wünschen oder fürchten.
Mit jedem Text und jedem neuen Kontext ändert sich die Zeichensprache, die Form der Abende, der Rhythmus, die Musikalität.
Wichtiger Partner dabei ist der Klangregisseur Wolfgang Musil, der die Arbeit mit uns als „acoustic stage design“ bezeichnet. Subtile Verstärkung und Bearbeitung der menschlichen Stimme nebst Einsatz von Kompositionsmaterial schafft akustische „Räume“ und stellt auch in Museen, Industriehallen die Intimität einer Theatersituation her, in der sich jede/r einzelne im Publikum direkt und exklusiv adressiert fühlt. Wann immer es möglich ist, heben wir das Gegenüber von Bühne und Zuschauerraum auf – Schauspieler:innen und Publikum bewegen sich auf einer Ebene – unterstützt und auch geleitet von der Klangregie ergeben sich neue Perspektiven ‚auf Augenhöhe‘ für das Publikum.
Viele Produktionen, etwa RECHNITZ (Anđeo uništenja) immer verlinken zu den Produktionen – seit 2022, SCHATTEN (Eurydike sagt) – seit 2016, SHADOW. Eurydice says – seit 2022, FROST – seit 2009, KLEIST! Ob ich das will? – seit 2011 bleiben lange im Repertoire und werden in immer neuen Kooperationen – mit Theatern, Museen, Galerien – mit Unter- und Übertiteln in unterschiedlichen Sprachen für die jeweilige Architektur der Räume neu adaptiert gezeigt.
Wir bringen Produktionen mit in- und ausländischen Partnerinstitutionen auf den Weg, die dem gegenwärtigen Leben in Europa vielleicht besser gerecht werden als für kurze Spielserien nur an einem Ort zu produzieren. Über Sprachgrenzen hinweg entdecken wir gemeinsame Werte, thematisieren im künstlerischen Prozess kulturelle Barrieren, wirtschaftliche Ungleichheit, und lernen – indem wir zusammenarbeiten – voneinander.
Wir sind mit Werner Schwabs PRESIDENTET nach Tirana und Elfriede Jelineks RECHNITZ (Anđeo uništenja) nach Sarajevo gegangen, um dort in den Landessprachen zu arbeiten. Wir haben unsere englischsprachige Fassung SHADOW. Eurydice says von Elfriede Jelinek in London, New York und Washington gezeigt. Vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Realitäten setzen diese Texte ihr Potenzial noch einmal auf ganz andere Art und Weise frei als in der „Bubble“ des deutschsprachigen Theaters.
Die Reise geht weiter und damit auch die Arbeit mit einem ‚Europäischen Ensemble‘. Es schafft für Kunst und Künstler:innen in den Westbalkanstaaten vermehrt Sichtbarkeit im europäischen Kontext über Sprach- und Wohlstandsgrenzen hinweg.
Alexandra Sommerfeld, Protagonistin in vielen THEATERpunkt Produktionen und Andreas Patton, seit 2009 in FROST zu sehen, sind die am längsten und engsten mit uns verbundenen Schauspieler:innen. Selma Alispahić, Jeanne-Marie Bertram, Ermira Gjata, Jelena Kuret Kordić, Barbara Kraus, Heidi Leupolt, Alexandra Pitz, Christina Scherrer, Notker Schweikhardt, Eduard Wildner seien stellvertretend für die vielen assoziierten Künstler:innen genannt. Partnerinstitutionen waren und sind u. a. Schauspielhaus Wien, Volkstheater Wien, Théâtres de la Ville de Luxembourg, SARTR Theatre of War Sarajevo, mumok Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Deichtorhallen Hamburg, Gdański Teatr Szekspirowski (Gdańsk Shakespeare Theatre), die österreichischen Kulturforen in London, New York, Sarajevo und Washington DC.
Sabine Mitterecker im März 2023